Die Auswirkungen verschlungener Konsumpfade
Heute ist sich die Wissenschaft einig, dass Fleischkonsum in modernen Gesellschaften sowohl für die Umwelt als auch für die Gesundheit der Verbraucher Probleme aufwirft...
Heute ist sich die Wissenschaft einig, dass Fleischkonsum in modernen Gesellschaften sowohl für die Umwelt als auch für die Gesundheit der Verbraucher Probleme aufwirft. Auf Produktionsseite ist die Tierhaltung (inklusive der Zucht zur Fleischproduktion) für 80% der Treibhausgasemissionen des Agrarsektors verantwortlich. Ausserdem braucht man ein Drittel der weltweiten Anbaufläche (Weiden nicht mitgerechnet), um all diese Tiere zu füttern. Deshalb wirkt sich Fleischkonsum auch erheblich auf die biologische Vielfalt aus. Andererseits gehen viele Gesundheitsprobleme von heute auf unsere sitzende Lebensweise in Verbindung mit einer unausgewogenen Ernährung zurück. In diesem Ungleichgewicht spielen Produkte tierischen Ursprungs in roher oder verarbeiteter Form (Wurstwaren, Käse ...) eine wichtige Rolle.
Solche Erkenntnisse rufen nach Veränderung, aber welche? Weniger Fleischproduktion und Konsum, dafür nur nachhaltig produziertes Fleisch? Fleisch ersetzen, aber wodurch? Oder überhaupt keines mehr essen?
Diese Fragen führen uns die Komplexität von Lebensmittelsystemen vor Augen. Tatsächlich berührt die Nahrungsproduktion viele damit verbundenen Bereiche, und die Frage nach den Auswirkungen dieses oder jenes Nahrungsmittels führt selten zu eindeutigen Antworten.
Aus ökologischer Sicht geht es um verschiedene Fragen: CO2, Wasser, Boden, Artenvielfalt. Das macht es schwierig, Nahrungsmittel zu vergleichen. Wie lässt sich zwischen dem Fleisch eines Rindes, auf der Weide mit hoher Artenvielfalt aufgezogen und beim Erzeuger gekauft, von einem möglicherweise mit der Abholzung des Amazonas in Verbindung stehenden und in Plastik verpackten Soja-Tofu differenzieren? Die Experten haben daher Bewertungssysteme entwickelt, die Standardeinheiten wie z. B. Kohlendioxidäquivalente verwenden. Aber wir wissen, dass auch diese Systeme ihre Grenzen haben, und man die komplexen Berechnungen nicht jedes Mal neu durchführen kann.
Die Entscheidung, keine Tierprodukte mehr zu konsumieren, ist oft eine ethische, getragen von dem Wunsch, Tiere nicht für Nahrung oder sogar Kleidung leiden zu lassen. Die Bedingungen, unter denen Nutztiere in der industriellen Landwirtschaft gehalten werden, empören viele Menschen. Also ist Fleischverzicht eine konsequente ethische Entscheidung?
Um andere Nährstoffquellen zu finden, greifen Veganer oft zu Nüssen, insbesondere zu falschem Käse aus verarbeiteten Cashewnüssen. Seit einigen Jahren stehen jedoch die Bedingungen der Cashewnuss-Produktion in der Kritik, vor allem beim Schälen, das hauptsächlich in Indien stattfindet. In der Tat gibt die Nuss dabei ein ätzendes Pflanzengift ab, das die Gesundheit derer (meist Frauen) angreift, die die Cashewäpfel bearbeiten, um die Nüsse zu entnehmen, da sie ohne wirklichen Schutz und für miserable Löhne (4 und 6 Euro pro Tag) arbeiten. Andererseits sind diese Menschen für ihren Lebensunterhalt trotz der prekären Bedingungen und Gefahren auf die Arbeit angewiesen. Der Cashewnuss-Anbau ist daher in verschiedenen Ländern ein Teil der Armutsbekämpfung und Wiederaufforstung für eine nachhaltige Entwicklung.
Schliesslich sind auch die Auswirkungen von Fleischkonsum auf die Gesundheit nicht eindeutig. Die meisten Konsumenten in der westlichen Welt überschreiten ständig die Empfehlung, nur zwei- bis dreimal pro Woche Fleisch zu essen. Ein solcher Überkonsum wird eindeutig mit Herz-Kreislauf-Problemen und bestimmten Krebsarten in Verbindung gebracht. Einige Studien folgern, dass Vegetarier und Veganer insgesamt gesünder leben. Dennoch propagieren Gesundheitsexperten den Veganismus nicht. Das hängt mit der Qualität der Proteine, die nicht immer gleich ist, aber auch mit dem Vitamin B12 zusammen, das nur in tierischen Produkten vorkommt und dessen Mangel Anämie verursachen kann. Veganern wird deshalb die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln dringend empfohlen. In mehreren staatlichen Leitfäden, etwa in Frankreich und der Schweiz, wird Veganern geraten, sich laufend von einem Ernährungsspezialisten beraten zu lassen, was der Vorstellung widerspricht, dass diese Ernährung grundsätzlich gesünder wäre.
In jüngster Zeit sind synthetische Fleisch- und Milchprodukte, d. h. solche, die im Labor ohne Tierhaltung und Schlachtung produziert werden, keine Hirngespinste der Science-Fiction mehr. Unternehmen wie Perfect Day in Kanada, das Käse, Joghurt und Eiscreme auf Basis von synthetischem Milcheiweiss herstellt, oder Mosa Meat in den Niederlanden, das spezielles künstliches Fleisch herstellt, bieten sich als plausible Alternativen zu herkömmlichen Tierprodukten an. Ihre Ökobilanz scheint vielversprechend... auch wenn noch nicht wirklich messbar ist, was es bedeutete, wenn sie in Masse produzierten. Auch fehlt noch die nötige Distanz, um die ernährungsphysiologische Qualität und mögliche gesundheitliche Auswirkungen der Produkte zu beurteilen.
Daran sieht man, dass verantwortungsbewusster Konsum kompliziert ist, verschiedene Strategien und ein auf individueller, als auch kollektiver Ebene immer komplexeres Wissen erfordert.
Wir danken Zoé Lüthi (Unterstützung bei Recherche und Dokumentation).
Deutsch übersetzt nach dem französischen Original.
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