Rituelle Schlachtung im Islam
Der Islam macht Vorgaben für die rituelle Schlachtung (Schächtung), die das Fleisch nach islamischem Recht für den Verzehr zulässig (halal), d. h. geniessbar macht. Der Koran beschreibt diese Schlachtungsart, die mehr ist als nur ein religiöses Ritual. Als lebendige gesellschaftliche Praxis, die sich im Laufe der Geschichte entwickelt hat, steht sie im Mittelpunkt ethischer und gesetzgebender Diskussionen über das Tierwohl. Sie hat Konsequenzen bis hin zur persönlichen Entscheidung, ob Essen als Glaubensakt und als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft gesehen wird.
Entwicklung in Frankreich
In Frankreich hängt die Geschichte der rituellen Halal-Schlachtung eng mit ihrem jüdischen Pendant, der Schechita (Schächtung), zusammen. Die ersten muslimischen Migranten aus Nordafrika, die bereits in den 1960er Jahren kamen, versorgten sich zunächst in jüdischen koscheren Fleischereien, da der Koran von ,Anhängern der Buchreligionen‘ (Juden und Christen) produziertes Fleisch erlaubt. Der grosse Zustrom von Migranten, die sich dauerhaft im Land niederliessen, erhöhte die Nachfrage nach Halal-Fleisch. Daher unterstützte man die Einrichtung spezialisierter Fleischereien und in den 1970er Jahren den Aufbau von industriell betriebenen Halal-Schlachtereien, die heutzutage mehr oder weniger den Methoden der Lebensmittelzertifizierung entsprechen.
Voraussetzung und Praxis der rituellen Schlachtung
Die muslimische, rituelle Schlachtung, die weniger streng als die jüdische Schechita ist, bedarf bestimmter Voraussetzungen und religiöser Handlungen, damit das Fleisch verzehrt werden darf (halal ist). Der Tod des Tieres muss absichtlich sowie unter Anleitung und Aufsicht herbeigeführt werden. Ein Opfermetzger - der, wenn er kein Muslim ist, den ,Anhängern der Buchreligionen‘ angehören muss – tötet das Tier mittels einer scharfen Klinge durch Schächten. Das Werkzeug hat geringere Bedeutung als der Akt selbst: Die Kehle (Halsschlagadern, Luft- und Speiseröhre) muss mit einem einzigen Schnitt durchtrennt werden. Es wird zwar von einer völligen Enthauptung des Tieres abgeraten, aber sie wird dennoch toleriert; die Tötung durch Genickbruch ist jedoch untersagt. Der vorgenommene Schnitt kann nach Grösse und Gattung des Tieres variieren: Bei Haustieren wird der Nahr-Schnitt (das Messer wird von unten in die Kehle gestossen) für Grossvieh und der Dabh-Schnitt (Durchschneiden der gesamten Kehle) für Kleinvieh empfohlen. Andere Tötungsvarianten - Aqh genannt -, z.B. das Erschiessen, sind ausschliesslich für Wild vorgesehen. Es ist nicht unbedingt verpflichtend, das Tier beim Schächten auf seine linke Seite in Richtung Mekka zu legen und den Namen des Herrn zu rufen. Hingegen muss das Tier unbedingt noch am Leben sein und sein Tod durch Ausbluten erfolgen, damit sein Fleisch zulässig (halal) ist.
Standpunkt der jungen Muslime
Das Bemühen um den Respekt vor dem lebenden Tier bringt heutzutage die jüngeren Generationen und Nachkommen muslimischer Immigranten dazu, sich dem Vegetarismus bzw. Pescetarismus (schliessen den Verzehr von Fleisch, nicht aber von Fisch und Meeresfrüchten aus) zuzuwenden, die sich mit den zulässigen islamischen Essensvorschriften (halal) vereinbaren lässt. Dadurch distanzieren sie sich von den Speisesitten ihrer Vorfahren.
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