Halal als Ernährungs-Vorschrift
Der Begriff halal, mit „zulässig” oder „erlaubt” zu übersetzen, bildet den Gegensatz zu haram, was „unerlaubt”, „verboten” bedeutet. Beide Vorstellungen stehen in Wechselbeziehung: Sie umfassen verschiedene Bestimmungen und Vorschriften, die in den religiösen Texten des Islam dargelegt werden, und schreiben ein bestimmtes Ernährungsverhalten vor. Damit wird Essen zu einem moralischen und religiösen Akt, zu einer Glaubensbekundung. Allerdings legen die verschiedenen islamischen Schulen die historischen Quellen unterschiedlich aus.
Was sagen die religiösen Quellen ?
Mehrere islamische Überlieferungen erwähnen verbotene Nahrungsmittel. Der Koran - die Offenbarung Gottes (Allahs) in Versform - und der Hadith - die Überlieferung der Lehren und Handlungen des Propheten Mohammed - sind die beiden wichtigsten. Alkoholkonsum, Ursache für Rausch und geistige Verwirrung, ist verboten. Fleischverzehr unterliegt bestimmten Restriktionen: „Verboten ist euch (der Genuss von) Verendetem, Blut, Schweinefleisch und dem, worüber ein anderer (Name) als Allah(s) angerufen worden ist, und (der Genuss von) Ersticktem, Erschlagenem, zu Tode Gestürztem oder Gestossenem, und was von einem wilden Tier gerissen worden ist- ausser dem, was ihr schlachtet - und (verboten ist euch,) was auf einem Opferstein geschlachtet worden ist“ (Koran, V, 3-5). Das Schwein wird als einziges Tier ausdrücklich als nicht zum Verzehr geeignet angesehen – ein Verbot, das der Koran an mehreren Stellen wiederholt. Damit das Fleisch der anderen Tiere zum Verzehr zugelassen wird, muss die Schlachtung bestimmte Bedingungen erfüllen: Das Tier muss regelgerecht geschächtet werden, eine Praxis der rituellen Schlachtung. Die Haut wird hingegen als haram betrachtet und darf nicht gegessen werden. Diese Vorschriften stimmen mit den Ernährungsgeboten des Judentums überein.
Unterschiedliche Schulen
Derzeit gehört die Mehrheit der Muslime weltweit der sunnitischen Glaubensrichtung an, die vier Schulen in sich vereint: Hanafiten, Malikiten, Schafiiten und Hanbaliten. Die Schiiten und Charidschiten stellen Minderheiten dar. Diese Strömungen und islamischen Schulen interpretierten den Begriff halal im Laufe der Geschichte in je eigener Weise. Einig sind sich alle im Verbot von Schweinefleisch; jedoch wird dessen Verzehr vom islamischen Gesetz nicht bestraft. Nach einigen Aussagen im Hadith wird Alkoholkonsum bei den Hanafiten sogar toleriert. Die Immigration muslimischer Bevölkerungsgruppen in laizistische Staaten der westlichen Welt im Laufe des 20. Jh. führte – in Anpassung an die Sitten des Gastlandes - ebenfalls zu einer Vielzahl von Neudefinitionen der Ernährungsnorm halal. Die zunehmende Diversifikation der Ernährungspraktiken hat, vor allem in Frankreich, sowohl die Nahrungsmittelindustrie als auch die islamischen Institutionen beeinflusst und bewirkte, dass der Begriff halal zum Handelslabel für ganz unterschiedliche Nahrungsmittel wurde.
Fisch und Meeresfrüchte
Nicht-hanafitische Sunniten, also fast die Hälfte aller Muslime weltweit, betrachten Fisch und Meeresfrüchte ohne Einschränkungen von Natur aus als halal: „Erlaubt sind euch die Jagdtiere des Meeres und (all) das Essbare aus ihm als Niessbrauch für euch und für die Reisenden“ (Koran, V, 96). Da sie einer anderen Tiergattung angehören und in anderer Umgebung als Landsäugetiere leben, unterliegen sie nicht der rituellen Schlachtung und dürfen somit nach Belieben verzehrt werden. Das gilt auch für ihre Haut. Hanafitische Sunniten und Schiiten lehnen diese Auffassung jedoch ab. Sie halten unter den Meerestieren allein den Verzehr von Fisch für legitim; alle anderen Meeresfrüchte zählen sie zu den verbotenen Lebensmitteln.
Weitere Ernährungsvorschriften
Mehrere Ernährungsvorschriften bestimmen das Leben gläubiger Muslime. Die beiden bekanntesten sind das Fasten - nach dem neunten Monat des muslimischen Mondkalenders Ramadan genannt - , das zu den fünf Säulen des Islam zählt, und das Opferfest (Id al-Adha), bei dem ein Schaf rituell geopfert wird.
MASSON, Denise (trad.), 1967. Coran. Paris : Gallimard.
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