Geschichte des Nahrungs-sammelns
Das Sammeln gefundener Nahrungsmittel ermöglichte den urgeschichtlichen nomadischen Jäger- und Sammlerkulturen, ihren Nahrungsbedarf zu decken. Durch die Landwirtschaft entwickelte sich das Sammeln zur systematischen Arbeit: Anbau und Ernte. Das Sammeln wildgewachsener Naturfrüchte blieb jedoch für weniger bemittelte Bevölkerungen eine Möglichkeit, ihr Nahrungsspektrum zu ergänzen. Mit steigendem Lebensstandard seit dem Industriezeitalter wird das Sammeln von Wildpflanzen zur Freizeitaktivität.
Die Ernte – wie früher so auch heute
Genau wie Jagd und Fischerei behielt das Sammeln gefundener Nahrungsmittel auch nach der Einführung der Landwirtschaft seinen Stellenwert für die Ernährung – vor allem in Gesellschaften ohne systematischen Feldanbau oder bei armen Landbevölkerungen, die so jahrhundertelang ihre Nahrungsressourcen ergänzten.
Vorgeschichtliche Bevölkerungen sammelten aufgefundene essbare Wildpflanzen, um ihren Nahrungsbedarf zu decken - je nach Jahreszeit Nüsse und Wurzeln zur Aufbewahrung, frisches Obst und Gemüse verzehrten sie sofort.
Während der neolithischen Revolution wurden die Nomadenstämme sesshaft und begannen, Pflanzen und Tiere nutzbar zu machen. So entstand in den frühen menschlichen Zivilisationen die Landwirtschaft, und das wilde Sammeln wird zu gezielter und systematischer Arbeit: der Ernte.
Anbauflächen entwickelten sich zu Herrschaftsgebieten, und die Ernte wurde zur wirtschaftlichen Aktivität, aus der in der Antike die Warengesellschaft folgte. In den Gemüsegärten, die seit der Antike, im Mittelalter und über die industrielle Revolution hinaus angelegt wurden, führten die umfangreichen Praktiken von Baumzucht und Gemüseanbau zum gezielten Einsammeln – der Ernte.
Ab dem 19. Jh. konzentrierten sich die Städter in der westlichen Welt auf die Eigenernte: Schrebergärten und Privatgärten erfreuten sich grosser Beliebtheit. Die Wissenschaft der Botanik erhielt durch zahlreiche Spezialwerke über Pflanzen und ihren Nutzen Auftrieb. Pflanzen und Kräuter zu sammeln, entwickelte sich zur Freizeitaktivität, die Stadtbewohner auf dem Land ausübten. Sammelverbote in geschützten Gebieten schränkte diese Praxis allerdings ein.
Das 20. Jh. kannte verschiedene Arten des „Nahrungssammelns“. Die „Hippie-Bewegung“ der 1960er Jahre ikonisierte es als Rückkehr zur Natur und sah darin ein soziales Engagement, das zu einer neuen Konsummentalität führen sollte. Die soziale Seite der Nahrungsselbstversorgung rückte 2008 auch die peas & love-Bewegung in der Grafschaft Yorkshire (GB) in den Mittelpunkt. In der von der Wirtschaftskrise betroffenen Stadt Todmorden entstanden auf Einwohnerinitiative kostenlose städtische Obst- und Gemüsegärten zur Selbstbedienung, die sie incredible edible (unglaublich essbar) nannten. Die Idee entsprang dem Willen zu gemeinsamem Verzehr und gegenseitiger Hilfe. Das Konzept breitete sich immer weiter aus – heute gibt es weltweit 700 solcher Anlagen.
Daneben ist bis heute das Sammeln wilder Pflanzen eine beliebte Freizeitaktivität. Das Hochgefühl nach dem Finden essbarer Pflanzen oder einer Pflanzenrarität motiviert Menschen, in der Natur Pilze, Küchenkräuter sowie Knospen zu sammeln oder vergessene Arten neu zu entdecken.
Obst, Gemüse, Schnecken?
Der Begriff „Sammeln“ beschränkt sich nicht nur auf Objekte aus dem Pflanzenreich. Er wird auch für das Sammeln von kleinen essbaren Tieren wie Schnecken oder Meeresfrüchten verwendet.
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