Esskastanie
Als herbstliches Nahrungsmittel ist die Esskastanie, auch Edelkastanie genannt, eine ‚Schein-Frucht‘, die bereits seit der Urgeschichte gegessen wird. In der Antike wird sie gezielt angepflanzt, im Mittelalter entwickelte sie sich zu einem Nahrungsmittel, das bei Getreideknappheit Weizen ersetzte. Die Frucht des Kastanienbaums, der in Europa in zwanzig Arten vorkommt, reift im Innern von mit Stacheln besetzten, wasserdichten Fruchtschalen. Nach der Ernte kann sie getrocknet und zu Mehl verarbeitet werden.
‚Das Brot der Wälder‘
Das Sammeln wilder Esskastanien zur Nahrungsergänzung im Winter reicht in Europa und Kleinasien wahrscheinlich bis in die Urgeschichte zurück. Hier wurden Esskastanien seit der Antike in den Obstgärten systematisch angepflanzt. In Frankreich entstanden die ersten Kastanienhaine in den Cevennen, die sich im Mittelalter zu einem europaweit bekannten zentralen Anbaugebiet entwickelten. Zu dieser Zeit wurde die Esskastanie in Europa zu einem wichtigen Nahrungsmittel, das im französischen Volksmund ‚Brot der Wälder‘ genannt wird. Ihr Mehl ersetzte Weizen, wenn dieser knapp wird. Damals fand der Kastanienbaum in den Klostergärten seinen festen Platz neben der Eiche.
Heute erfordert der weltweite Konsum - meist in Form von verarbeiteten Kastanienprodukten - einen industriellen Anbau, der in Produktionszentren in Europa, Asien und auf dem amerikanischen Kontinent betrieben wird. Jedoch ist das Sammeln in den Wäldern noch immer eine beliebte Freizeitbeschäftigung.
Von der Pflanze zur Samen
Die Kastanie lässt sich im Winter einer Rodung in den Boden pflanzen. Während des Wachstums entfernt man die trockenen Äste und schneidet den Baum, um eine optimale runde Form zu erhalten; zudem sollte er regelmässig gegen Insekten, Pilze und Parasiten gespritzt werden. Das Ausschneiden erfolgt nach der Reife und Ernte, um das Nachwachsen neuer Zweige zu fördern.
Im Frühjahr bestäuben Bienen die Kastanienblüten auf natürliche Weise, doch eine vom Menschen vorgenommene, gezielte Bestäubung führt zu einer grösseren Erntemenge und zu regelmässigeren, grösseren Früchten.
Wenn sie reif sind, werden sie mechanisch - mit einer Saug- oder Abstreifmaschine – oder auch manuell geerntet, indem die auf den Boden gefallenen Früchte und Fruchtschalen mit einem Rechen, einem Stock, einer Zange und mit Schutzhandschuhen aufgelesen werden.
Um ein Gären der Kastanien nach der Ernte zu verhindern, werden sie in einer Kastaniendarre, einem kleinen zweistöckigen Gebäude, künstlich getrocknet. Im Erdgeschoss glimmt ein Feuer aus Fruchtschalen - ohne Flammen - und im ersten Stock liegt die Kastanienernte auf dem durchlöcherten Boden und wird regelmässig gewendet. Danach werden sie geschält, um die Esskastanien herauszuholen, deren heller Kern nach dem Kochen oder dem Mahlen als Mehl konsumiert werden kann. Die erstmals in den Cevennen angewandte künstliche Trocknung dauert oft drei bis sechs Wochen. Die industrielle Trocknung basiert auf demselben Prinzip, läuft aber in Hitzebehältern schneller ab.
Schalenfrucht
Der Kastanienbaum verfügt über einen geraden Stamm mit längs aufgerissener Rinde und über 20 cm lange, zerbrechliche, wechselständige Blätter. Eine mit biegsamen Dornen besetzte, wasserundurchlässige Schale, Fruchtbecher genannt, umgibt die aus zwei oder drei Kastanien bestehende Frucht. Letztere sind in Wirklichkeit Samen, die auch ‚Scheinfrüchte‘ genannt werden. In Europa existieren zwanzig verschiedene Arten von Esskastanien, darunter die französischen Comballe, Marigoule, Bourrue, Montagne und Bouche Rouge.
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