Safran, ein faszinierendes Gewürz
Safran verfügt über wissenschaftlich belegte Vorzüge; er wird als Färbemittel, Parfüm, Medizin oder Gewürz verwendet.
Ein seltenes Gewürz, dessen Herstellung viele Arbeitskräfte benötigt. ©Shutterstock/David Blazquez Cea
Rotes Gold, König der Gewürze... Superlative beschreiben Safran. Er wird aus den Narben der zierlichen violetten Blume des Crocus sativus L. gewonnen; den Menschen ist er seit Jahrtausenden bekannt. Seine Herkunft ist ungeklärt. Historiker meinten lange, er stamme aus Zentralasien, doch botanische Recherchen verlegten seinen Ursprung eher nach Kreta1. Auch die Mythologie liefert zwei Herkunftsversionen: Krokus, ein junger Mann in besten Jahren, wird von seinem Götterfreund Hermes beim Diskuswerfen versehentlich getötet. Der Gott verwandelt seine Blutstropfen in eine violette Blume, die seinen Namen trägt. Die zweite Version lässt Krokus sich in die wundervolle Nymphe Smilax verlieben, die auch ihn liebt. Doch schon bald wird sie der stetigen Nachstellungen des jungen Werbers überdrüssig und verwandelt ihn in eine Blume. Ob die tiefroten Blütennarben nun das Blut oder die glühende Leidenschaft des Krokus für Smilax symbolisieren? Niemand weiss es.
Eine herausfordernde Ernte...
Wie auch immer, Safran bleibt ein mysteriöses und faszinierendes Gewürz. Während sich andere Pflanzen auf den Winter vorbereiten, kommt der Safran im Herbst richtig in Form. Plötzlich verwandeln spriessende Blüten die Felder in riesige blasslila Teppiche, die stark mit ihrer Umgebung kontrastieren. Das Schauspiel ist so beeindruckend, dass der Legende nach Alexander der Grosse sich einst zurückziehen musste, weil seine Soldaten aus Angst nicht kämpfen wollten: In der vorangegangenen Nacht hatten Safranblüten das gesamte Feldlager bedeckt2. Ganz anders steht es bei den Safranproduzenten – mit den allerersten Safranknospen geht es los: Mit aufgekrempelten Ärmeln, gebeugtem Rücken, einen Korb in der Hand und hochmotiviert beginnen sie am frühen Morgen die Arbeit. Die ganze Familie und auch Nachbarn helfen; für grosse Anbauflächen gibt es Facharbeiter. Safran wird auch heute noch vollständig von Hand geerntet in konzentriert-intensiver Arbeit während der zwei- bis dreiwöchigen Herbstblüte des Krokus‘. Nach der Blütenernte werden die drei Narben vorsichtig aus dem Kranz der lila Blütenblätter herausgetrennt. Es folgt die wichtige Phase des Trocknens, die dem Gewürz die Feuchtigkeit entzieht, um es haltbar zu machen. In Iran, Spanien und Marokko werden die Narben auf den Hausdächern zum Trocknen in die Sonne gelegt, während man in Frankreich oder Griechenland lieber Trockenräume einsetzt.
...und häufiger Betrug
Es braucht 150 Blüten für ein einziges Gramm Safran3, der Ertrag ist folglich gering. Schon immer verführten Seltenheit und Kostspieligkeit dazu, das Gewürz zu fälschen. Laut Christine Ferrari, Safranproduzentin aus Marokko, entfallen „90 % des internationalen Markts auf Fälschungen“4. Das Pulver wird mit anderen Pflanzen wie Färberdisteln oder Curcuma („falscher Safran“) verschnitten, die bei ähnlicher Färbung nicht das Safranaroma haben. Auch bei den Narben, die als Qualitätsgarantie gelten, wird betrogen: „Ich habe in manchen Gefässen Haare, Hühnerfedern, Holzraspel, buntes Plastik oder sogar getrocknete Fleischfasern gefunden“, sagt die Safranherstellerin.
Tausend und eine Verwendung
Doch zurück zum echten Safran, der bereits der Antike bekannt war. Ob in Ägypten, Griechenland oder Rom: Man handelte ihn und fand zahlreiche Gebrauchsmöglichkeiten. Safran färbte Kleidung und Mumienbinden. In den Tempeln verbrannte man ihn bei Zeremonien als Zeichen der Reinigung. Kleopatra schrieb ihm gar aphrodisische Wirkungen zu, weshalb sie ihn vor amourösen Treffen ihrem Bad aus Eselsmilch hinzufügte. Laut Plinius dem Älteren wirkt er gegen Trunkenheit: Es genüge, geflochtene Blütenkronen aus Safran zu tragen, um den schlimmen Folgen des Weins zu entgehen!
Im Mittelalter ist Safran als Gewürz bei allen, die es sich leisten können, beliebt. Er würzt die Speisen der Begüterten; Köche verwenden ihn bei Banketten, um dem Braten goldbraune Farbe zu verleihen5. So stellt man das Gewürz als Zeichen von Reichtum öffentlich zur Schau6.
Als kräftiger Pflanzenfarbstoff wird Safran mit Milch oder Ei gebunden zu Farbe und dient sogar als Tinte. Sein Extrakt reinigt die Luft von Theatern oder parfümiert Pferde. Medizinisch ist er ein Allheilmittel, das alle Leiden lindern kann, von der Pest über Tumore, den Bissen wilder Tiere bis zu schmerzendem Zahnfleisch7.
Kochen mit Safran
Im Lauf der Zeit gerieten viele Anwendungen des Safrans in Vergessenheit – vor allem die Stofffärbung wurde durch billigere Färbemittel ersetzt8. Das Küchengewürz ist noch immer beliebt und findet auch als Heilpflanze Verwendung.
Das besondere, leicht bittere Aroma mit seinen Heu- und Honignoten sowie die Farbkraft begründen den Erfolg des Safrans in der Küche. Eines der bekanntesten Safran-Gerichte ist die Paella; traditionelle Kochbücher sind voller Rezepte für das „rote Gold“.
Vor allem die indische Küche liebt den Safran. Er wird in herzhaften Gerichten wie auch in Süssspeisen verwendet und aromatisiert selbst Getränke wie z.B. Safranlassi. Zu den bekanntesten Speisen gehören der Biryani aus Reis, Safran und Zutaten von Gemüse und Fleisch, der Kesari bhath – ein beliebtes Dessert aus Griess, Zucker und Safran – oder auch der Kheer, eines der ältesten indischen Desserts aus Reis, Milch, Safran und Nüssen.
Ausser dem beliebten Risotto alla milanese gibt es eine Fülle italienischer Safrangerichte. In den Abruzzen kocht man den Scapece alla vastese, ein Fischgericht, das in die Zeit des Römischen Reiches zurückreicht. Dornhai-Stücke werden frittiert und 24 Stunden in einer Marinade aus Essig und Safran eingelegt, um als Vorspeise serviert zu werden. Das wertvolle Gewürz bringt ferner eine aromatische Note in einfache, sättigende Gerichte wie die Cannarrozzetti allo zafferano – mit Ziegenricotta, Schweinebacke, Pfeffer und Safran gewürzte Hohlnudeln – oder den Farro alle mandorle e zafferano, einen Eintopf mit Dinkel und Mandeln.
In Frankreich darf er in der Bouillabaisse nicht fehlen, der Marseiller Fischsuppe mit dem typischen Geschmack. In Marokko findet man ihn in Hühnchen-Tajine, Pastillas oder Gebäck. Auch in der iranischen Küche spielt er eine wichtige Rolle.
Safran und Feste
Das leuchtende Gelb safrangewürzter Speisen passt gut zu festlichen Anlässen. Es erinnert an Sonnenstrahlen und schafft gute Laune. Bereits eine Messerspitze genügt, um den Zauber zu entfachen: Als ob die Sonne in den Töpfen und Pfannen getanzt hätte; als ob die Speise mit der labenden Energie des Himmelsgestirns erfüllt wäre... schön, appetitlich und herzerwärmend. Übrigens soll Safran die herzlichste aller Pflanzen sein9. Denn sein Gelb symbolisiert, trotz auch anderer Konnotationen (z.B. Neid und Eifersucht), Sonne und Licht, Wärme, materiellen Wohlstand, Freude und Heiterkeit. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass Safran zu zahlreichen Festspeisen gehört.
In Sardinien lässt man sich das Su succu schmecken, ein besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Weihnachten vorbehaltenes Gericht aus handgemachten und mit Brühe getränkten Nudeln, die mit säuerlichem Frischkäse und Safran abgeschmeckt sind. In der Westschweiz wird zur Bénichon-Kilbi, die Cuchaule, eine Brioche mit wundervoll goldener Farbe und dem typischen Safranaroma, gebacken. In mehreren Produktionsgegenden sind dem Safran eigene Festivals gewidmet, so in Taliouine (Marokko). Drei Tage sind nicht zu viel, um das kostbare und begehrte Gewürz zu feiern.
Safran als Heilmittel?
Schon frühe medizinische Abhandlungen erwähnen den Safran. Vor 5000 Jahren erwähnt ihn der legendäre chinesische Kaiser Shennong in einer Beschreibung medizinischer Pflanzen. Nach der traditionellen indischen Heilkunst Ayurveda entfaltet Safran zahlreiche Wirkungen: entzündungshemmend, Blut reinigend, regulierend auf den Menstruationszyklus und das Hormonsystem allgemein. Ferner sei er krampflösend, harmonisierend (er gleicht die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha aus) und hautfreundlich. Deshalb ist Safran Bestandteil mehrerer Ayurveda-Öle wie des Kumkumadi Taila, einer alten Formel zur Gesichtspflege; zur inneren Anwendung wird er – mit Milch, Mandeln und Honig vermischt – als Aphrodisiakum empfohlen, um die Libido zu steigern und Spermienmangel zu beseitigen10. Die europäische Pflanzenheilkunde sieht Safran zwar nicht mehr als Allheilmittel an, jedoch als interessant bei gestörtem Nervensystem und als Schmerzmittel. Angesichts der vielen Anwendungsmöglichkeiten in traditionellen Heilpraktiken interessiert sich die moderne Medizin für die positiven therapeutischen Wirkungen der Safranbestandteile11. Die Forschungen konzentrieren sich dabei auf die antitumoralen Eigenschaften von Crocin und Crocetin, zwei in Krokus und Gardenie enthaltenen Carotinoiden.
Angesichts steigender weltweiter Nachfrage und des komplizierten Anbaus der Pflanze bringen Institute wie das CSK Himachal Pradesh Agricultural University de Palampour (Indien) den Safran ins Labor. Bei In-vitro-Versuchen erhalten sie Safran-Narben mit Eigenschaften ähnlich denen der natürlichen Narben und können in Zellkulturen sogar isolierte Bestandteile des Safrans herstellen12. Die Forschung hat also begonnen und wird die traditionellen Anwendungen präzisieren und differenzieren.