Die Kochmütze über die Zeit
Erst gefaltet, dann steil wie ein „I“ – setzte sich die Kochmütze im 19. Jh. durch; bis heute ist sie bei Köchen selbst in Japan beliebt.
Koch in der Tür seines Restaurants, Barga, Toskana, Italien, 2015. ©iStock/JannHuizenga
Die von allen guten Köchen weltweit geschätzte Mütze gehörte nicht immer zu deren Berufskleidung, auch wenn legendär ihr Gebrauch weit zurückreicht – bis ins 7. Jh. v.u.Z.: Aus Angst vor Vergiftung schrieb Assyriens König Assurbanipal seinen Köchen einen der Königskrone ähnlichen Hut vor, um sie im Palast zu identifizieren und als dem Herrscher treu zu erkennen.
Ein anderer Ursprungsmythos der Kochmütze: In der griechisch-römischen Antike setzten Zeremonienmeister den Küchenchefs Kappen mit Lorbeerblättern auf, die den Beginn der Festlichkeiten anzeigten. Die dritte Legende sieht in der Kochmütze eine Nachahmung der Kopftracht griechisch-orthodoxer Priester. Demnach versteckten sich im Oströmischen Reich bei politischen Unruhen im 6. Jh. Köche in Klöstern, wo sie auch die Mönchskleidung mit dem charakteristischen schwarzen Zylinderhut („Kamilavkion“)1 trugen.
So stellt der amerikanische Autor Harold McGee in seinem Werk The Curious Cook fest, dass „der Ursprung der Kochmütze ziemlich unklar“ ist. „Weitere Forschungen zu dem Thema zeigten deutlich, dass – lässt man die Geschehnisse in den griechischen Klöstern ausser Acht – die moderne Kochmütze erst um 1900 entstand.“
Eine Mütze in stickigen Küchen
Jean Vitaux und Benoît France merken in ihrem Wörterbuch des Gastronomen an, dass im 15. Jh. eine spanische Toca in Zylinderform ohne Rand üblich war. Die beiden gastronomieaffinen Franzosen führen aus, dass Köche, Gastronomen und Grillmeister am Ende der Renaissance Nachtmützen2 ähnelnde Kopfbedeckungen trugen.
„Die oft aus schwarzer Baumwolle gemachte Mütze sollte den Schweiss vom Kopf der Köche aufsaugen, die in stickigen, von der Glut der Öfen geschwärzten Räumen arbeiteten“, erklärt Jérémie Brucker, Kursleiter für moderne Geschichte an der Universität von Angers in seiner Doktorarbeit zur Geschichte der Berufskleidung, darunter auch die von Köchen. Die Kopfbedeckung sollte verhindern, dass Haare ins Essen fallen, und vor möglichen Stössen schützen.“ Somit hatte die Mütze vor allem hygienische und praktische Bedeutung.
Erfindung in Wien
Die moderne weisse Kochmütze verdankt sich Marie-Antoine Carême (1784–1833), dem „König der Köche und Koch der Könige“. Der Chefkoch mit Ämtern bei Talleyrand und Zar Alexander I. trug sie erstmals 18213, als er beim britischen Botschafter Lord Steward in Wien arbeitete. „Nach dem Vorbild der Militäruniformen vom Wiener Kongress 18144 erfand er den strahlend weissen Hut mit flachem Boden, um in den Tellern und in der Erscheinung des Kochs Reinheit und Sorgfalt auszudrücken“, so Jérémie Brucker.
Marie-Antoine Carême entwickelte das Kopfbarett zum ästhetischen Element als Ausdruck hochwertiger, in grossen europäischen Häusern servierter Küche. „Das 19. Jh. war überzeugt, die Küche für diplomatische Beziehungen zu nutzen“, sagt Brucker. Als Koch und mittels seiner Schriften5 trug Marie-Antoine Carême zu einer kunstvollen Gastronomie und Präsentation bei, die schliesslich in ganz Europa bekannt wurde.
Endgültiger Erfolg im 20. Jahrhundert
Erst im 20. Jh. setzte sich allerdings die moderne, gefältelte, steile Kochmütze durch. Wir verdanken sie Auguste Escoffier, einem auch im Ausland aktiven Meisterkoch der französischen Küche. „Ab 1890 modernisierte und reorganisierte der Gastronom im Londoner Hotel Savoy den Beruf neu und erfand die Küchenbrigade“, erläutert Jérémie Brucker.
Auguste Escoffier (1846–1935) systematisierte die Aufgabenverteilung und förderte das Bild eines Teams mit tadelloser Erscheinung und Verhalten. Die Kochmütze in der steilen Form ergänzte die Uniform des Kochs, bestehend aus weisser Jacke mit zwei Knopfreihen, Halstuch, Schürze und gestreifter Hose. „Steile Kochmütze und strahlend weisse Kleidung standen für moralische Geradlinigkeit und Sauberkeit, die das Vertrauen der Restaurantbesucher gewinnen sollten.“6
Internationale Verbreitung
Mit der Küche für Reiche – vom Diplomaten bis zu gekrönten Häuptern – verbreitete sich die Kleidung der Meisterköche im 19. und 20. Jh. zunächst in Europa, dann auch in Nordamerika und sogar Asien. „Durch die Öffnung Japans in der Meiji-Zeit (1868–1912) breitete sich die weisse Kleidung schnell aus: zunächst in den Restaurants mit westlichen Speisen, dann auch in den meisten anderen Einrichtungen“, erklärt Joji Nozawa, japanischer Historiker mit einer Doktorarbeit über europäische Weine in Asien. „Die amerikanische Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb weisse Kleidung aus hygienischen Gründen sogar gesetzlich vor.“
Heute empfehlen japanische Kochschulen, eine Kochmütze im europäischen Stil zu tragen. Viele Köche tragen allerdings völlig von der westlichen Uniform abweichende Kleidung. Die Sushimeister „Itamae“, die jahrelang für den begehrten Titel7 gelernt haben, bevorzugen oft die traditionelle japanische Tracht: eine Kimonojacke und ein „Hachimaki“ genanntes Stirnband aus gedrehtem, saugfähigem Baumwollstoff („Tenugui“) mit Familiennamen, Slogan oder aufgedrucktem Motiv. „Diese zwei Kleidungsstücke finden sich in luxuriösen wie auch in volkstümlichen Restaurants, die auf japanische Küche spezialisiert sind“, erörtert Joji Nozawa. Nach japanischer Auffassung symbolisiert das Stirnband „Hachimaki“ nicht nur schwere, schweisstreibende Arbeit, sondern auch Entschlossenheit und Mut.
Barhäuptig, Bandana oder Baseballkappe – angesagte Köche verzichten heute bewusst auf die Kochmütze, um sich abzuheben – Beispiele sind der Engländer Jamie Oliver oder der mit drei Sternen ausgezeichnete Deutsche Thomas Bühner, der sich nur selten in traditioneller Kleidung zeigt. „In Japan gibt es heute viele Restaurants, deren Köche sich so kleiden, wie sie möchten“, erklärt Joji Nozawa.
Laut Wörterbuch des Gastronomen tragen Köche und Konditoren die Kochmützen heute vor allem bei öffentlichen Auftritten. Fast 200 Jahre nach ihrer Erfindung durch Marie-Antoine Carême zeigt sie nach aussen die Verbundenheit der Köche mit der Spitzengastronomie.