Der Popcorn-Boom
Puffmais, reich an Antioxidantien, hat die Kinosäle verlassen und sich als raffinierte Leckerei etabliert.
Gegrillt, gemahlen, gekocht, zerplatzt... Mais ist vielseitig! ©Shutterstock/Chamille White
Das mit Salz oder Zucker bestreute Popcorn (deutsch: Puffmais) hat ernährungswissenschaftlich keinen guten Ruf. Es gilt als kleine Sünde vor dem Fernseher oder im Kino, verdient jedoch eine eingehende Betrachtung. Nach einer Studie der University of Scranton, USA von 2012 enthält Popcorn mehr Antioxidantien der Polyphenolgruppe – Moleküle, die die Gefahr von Herzkrankheiten oder Diabetes verringern – als Obst und Gemüse. „Popcorn ist ein Lebensmittel ohne Zusatzstoffe, ausserdem enthält es viele Ballaststoffe“, sagt der verantwortliche Studienleiter, Joe Vinson.
Die Antioxidantien im Popcorn entsprechen quantitativ denjenigen von Haselnüssen – und sind 15 Mal höher als in Tortilla-Chips. Popcorn mit nur 4% Wassergehalt enthält Polyphenole konzentriert, während sie in Obst und Gemüse mit 90% Wassergehalt stark verdünnt sind. Die Studie beziffert die Polyphenole in einer Portion Popcorn auf 300 mg, gegenüber 114 mg bei Süssmais und 160 mg bei Obst. Doch Vorsicht, Joe Vinson betont die Bedeutung der Zubereitung: Mit Öl oder in der Mikrowelle zubereitetes Popcorn enthält doppelt so viel Kalorien wie bei Heissluftherstellung und wird, mit Butter, Zucker, Schokolade oder Karamell verfeinert, noch kalorienreicher.
‘Feinschmecker’-Popcorn
Aufgrund solcher Erkenntnisse wird Popcorn weltweit allmählich als gesundes Lebensmittel wahrgenommen. Mittlerweile haben sich einige Marken im ‘Feinschmecker’-Segment etabliert, wie die der US-Schauspielerin Scarlett Johansson, die 2016 in Paris ihr Geschäft ‘Yummy Pop’ eröffnete. Unter den angebotenen Geschmacksrichtungen finden sich im salzigen Bereich Trüffel-Parmesan oder „Real Cheddar“ und auf der gezuckerten Seite „Canadian maple“ (kanadischer Ahornsirup), die zu den beliebtesten gehört. Das bis zu seinem Umzug nach Saint-Maur-de-Fossés ebenfalls in Paris ansässige ‘My Crazy Pop’ verwendet seit 2014 keinen GVO-Mais mehr; es stellt Popcorn mit Heissluft her und serviert dazu hausgemachte Sossen wie Karamell (Bestseller), Ahornsirup, Ingwer, Parmesan oder Wasabi.
Das 2011 gegründete Unternehmen ‘Propercorn’ ist mittlerweile in zwölf europäischen Ländern vertreten. „Popcorn ist ein Nostalgie-Snack, den jeder kennt“, erklärt die Gründerin Cassandra Stavrou. „Es ist ein natürliches Lebensmittel, eine glutenfreie Quelle für Energie und Ballaststoffe, die sich gut mit vielen Geschmacksrichtungen kombinieren lässt.“ Propercorn verbindet es z.B. mit Paprika, Erdnüssen oder Kokosnüssen und beachtet, dass jedes Aroma den Energiewert von 130 Kalorien pro Portion von 25 g nicht übersteigt.
Attribut dunkler Kinosäle
Laut Andrew Smith, dem Autor von Popped Culture. A Social History of Popcorn in America, brachten aus Chile zurückkehrende nordamerikanische Walfänger Popcorn zu Beginn des 19. Jhs. in die USA. Es breitete sich rasch aus, als es während der Grossen Depression aufgrund seines billigen Preises zum Attribut dunkler Kinoäle wurde. Als die Kinobetreiber die Gewinnchancen hinter diesem Produkt bemerkten, begannen sie, es selbst zu vermarkten (zur Illustration: Das von der Gruppe Pathé in der Schweiz verkaufte Popcorn beläuft sich jährlich auf 1 900 000 Liter in siebzig Kinosälen – 72% gesalzen, 28% gezuckert –, was 34% des F&B-Umsatzes entspricht). Seit den 1950er Jahren eröffneten sich dem Mais mit besonderen Popcorn-Öfen in immer mehr US-Haushalten neue Möglichkeiten, ‘massenhaft’ zu zerplatzen. Heute isst ein US-Amerikaner durchschnittlich 50 Liter Popcorn jährlich; in Grossbritannien stieg der Konsum in den vergangenen fünf Jahren um 170%. Das Popcorn – Kalorienbombe voller Ballaststoffe und Antioxidantien, Futter für Kinofans und Köstlichkeit der hohen Gastronomie – lässt es offensichtlich weiterhin in den Küchen krachen, erobert die Supermärkte und verführt mit seinem dämonischen Ruf.