„Magere“ und „fette“ Kost im Christentum
Christen müssen sich traditionell in ihrer Ernährung einschränken, um Busse zu tun. „Fette“ und „magere“ Tage wechseln sich ab. Fleisch, das an manchen Tagen verboten war, wurde durch Fisch ersetzt. Fischzucht und Konservierungsmethoden halfen, die Bedürfnisse der Gläubigen zu befriedigen.
Die „mageren“ Tage
Das Christentum kennt kein generelles Verbot bestimmter Nahrungsmittel, jedoch – im Unterschied zu anderen Religionen - Ernährungseinschränkungen. Seit seinen Anfängen gibt das Christentum fleischlose Fastentage vor, die im Gegensatz zu den „fetten“ Tagen „mager“ genannt wurden. Es handelt sich um Busstage zur Erinnerung an bedeutende Ereignisse im Leben Jesu oder der Heiligen. Je nach Zeit und Region fielen sie unterschiedlich aus. Die Fastenzeit vor Ostern ist bis heute die längste Bussperiode, aber in der Vergangenheit waren auch in der Adventszeit einige Fastentage pro Woche vorgesehen. Jede Woche gibt es einen oder mehrere Fastentage: der Freitag gilt bis heute als Fastentag, andere Zeiten kannten noch den Mittwoch oder Samstag als solchen. Auch an den Tagen vor wichtigen Feiertagen wurde oft gefastet. Der christliche Kalender zählte zwischen 150 und 250 solcher „mageren“ Tage auf; im Extremfall konnten Christen also nur an 100 Tagen uneingeschränkt essen. Im 16. Jh. beendete die Reformation die Fastenpraxis für einen Teil der Christenheit. Allerdings lockerten sich über die Jahrhunderte auch die Fastenregeln der Katholiken. Seit der Mitte des 20. Jhs. gibt es nur noch zwei Hauptfastentage: Aschermittwoch und Karfreitag.
Vom Fleisch zum Fisch
Fleisch galt immer als begehrtes Nahrungsmittel mit unbestreitbarem Nährwert. Da Nahrungseinschränkungen nur als solche bewusst wurden, wenn sie ein geschätztes Nahrungsmittel betrafen, waren Fleisch und tierische Fette (Speck, Schmalz) an „mageren“ Tagen verboten. Fische hingegen waren erlaubt: Als Kaltblüter hielt man sie für etwas anderes als die an Land lebenden Tiere. Sie entwickelten sich zur klassischen Mahlzeit an „mageren“ Tagen - zumindest für all jene, die sie sich leisten konnten. Allerdings stellte sich die Frage der „fetten“ und „mageren“ Tage der armen Bevölkerung nicht, da sie sich fast ausschliesslich von Hülsenfrüchten ernährte.
Fisch war nicht jedermann zugänglich
In vom Meer, Fluss oder See weitab liegenden Gegenden stellte die Versorgung mit Fisch ein Problem dar. Um die während der Fastentage steigende Nachfrage zu befriedigen, legten Klöster im Mittelalter eigene Fischzuchten an. Sie züchteten Karpfen, Hechte, Forellen oder Barsche in Weihern. Jedoch blieb der ganzjährige Verzehr von Fisch ein Privileg für die begüterte Bevölkerung. Konservierungsmethoden wie Trocknen, Räuchern oder Einsalzen trugen zu einem breiteren Fischkonsum bei: Meeresfische wie Heringe und Dorsche konnten so in Europa auch entfernt von ihren Fanggründen angeboten werden. Der Brauch, freitags Fisch zu essen, hat sich unabhängig davon bis heute erhalten.
Die Rache des Fetts
Den Fastentagen standen die Tage des Überflusses gegenüber. Dann konnte fröhlich und ausgiebig gefeiert werden. Der Faschingsdienstag vor dem Aschermittwoch bot und bietet noch immer die Möglichkeit für exzessive Schlemmereien wie zum Beispiel Pfannkuchen und Krapfen.
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