Packungsdesign – grafische Gestaltung
Verpackungen als Signale der Produktidentität und des Markenkerns haben ihren Ursprung in der Mechanisierung der Druckindustrie und Papierherstellung im 19. Jh. Die grafische Gestaltung wird seither immer komplexer. Formen, Farben und Typografie vereinigen sich zu einem eigenständigen Code, der den Verbraucher zielgruppengerecht anspricht, seine Aufmerksamkeit auf sich zieht und mit ihm in Dialog tritt: Ein preisgünstiges Produkt hat deshalb nicht die gleiche Erscheinung wie eins für den Luxusmarkt.
Verpackung als Signal – die Anfänge
Die Erfindung der Papiermaschine und die Mechanisierung des lithografischen Drucks revolutionieren im 19. Jh. das Erscheinungsbild von Nahrungsmittelverpackungen. Im viktorianischen England sind Verpackungen farbig verziert und sprechen mit der Schriftgestaltung, die bis dahin der Mittel- und Oberschicht vorbehalten war, jetzt gezielt die junge Arbeiterklasse an. Die neuen Typografien sehen anders aus als die Schriften für gedruckte Bücher und sind vor allem fantasievoller. Nach und nach entwickelt sich die Verpackung zum Werbeträger. Druckereien bieten den Verpackungsherstellern Musterabbildungen per Katalog an. Diese vorgedruckten Etiketten, in deren Mitte ein Platz frei blieb für die Namen von Produkt und Hersteller, können auf verschiedene Träger wie Weissblech oder Karton aufgebracht werden. Trotz technischer Fortschritte dominieren standardisierte Verpackungsformen den Markt noch heute: Sie sind preisgünstig, praktisch und schnell herzustellen. Besondere Sorgfalt gilt allerdings den aufgedruckten Bildern und Texten, die dank einer visuellen Sprache, die aus der kollektiven Vorstellungswelt schöpft und nichts dem Zufall überlässt, Träger der Produktidentität werden. Das moderne Packungsdesign entsteht zu Beginn des 20. Jh. als eigenständiges Gestaltungsgenre zusammen mit der Semiologie, der Lehre von den Zeichen und ihrer Bedeutung.
Form, Farbe, Material, Typografie
Die grafische Gestaltung einer Verpackung ist komplex und durchdacht. Form, Farbskala, Typografie und Materialauswahl fügen sich zu einem Zeichensystem zusammen, das den Verbraucher das Angebotene schnell erkennen und verstehen lässt. Form und Farbe fallen schon von weitem ins Auge. Die Typografie trägt zur Übereinstimmung von Verpackung und Marke bei: Der Schriftzug von Coca-Cola gibt ein bekanntes Beispiel für diese Einheit von Produkt und Marke. Zusammen bilden sie einen Code, der beim Verbraucher Erwartung und Gewissheit erzeugt. Verpackungen, die – in schwarz-goldener Farbe oder mit schlichter Typografie gestaltet - edles Material andeuten, werden gern für Luxusprodukte verwendet. Diese werden häufig auch mit reinen Schmuckelementen verziert, die sie zwar deutlich differenzieren, jedoch nichts zu ihrer eigentlichen Funktion, dem Schutz der Ware beitragen: Satinbänder um Pralinenschachteln geben ein Beispiel für solche Schmuckelemente. Während die Kunstwelt die Warenästhetik aufgreift, um ihr einen Sinn über die Funktion in der Warenwelt hinaus zu geben (Andy Warhol und seine Campbell‘s Soup Cans 1962), wendet sich die Produktindustrie der Kunst zu, um mit ungewöhnlichen grafischen Gestaltungen in limitierter Ausgabe Produkten Kultstatus zu verleihen. So gestaltet zum Beispiel Perrier im Jahr 2014 seine Flaschen im Stil der „Street-Art“.
Regeln und Abweichungen
Die Internationalisierung von Marken führt dazu, dass sie weltweit in gleicher Verpackung auftreten. Da jedoch die Lebensmittelbezeichnung und Kodierungen je nach Kultur und Land verschieden sind, müssen die Marken „glokal“ (global und lokal) denken: global erkennbar bleiben und dabei gleichzeitig lokale Verbrauchgewohnheiten beachten. Manche Hersteller brechen - über die Wahl von Farben und Typografien - bewusst mit den traditionellen Standardverbpackungen und entscheiden sich für eine unerwartete, andere Hülle, um einer unveränderten Ware neues Leben einzuhauchen oder ein gänzlich neues Produkt auf einem gesättigten Markt zu platzieren. Die Wasserflasche von Evian in Tropfenform (Goutte d’eau d’Evian) oder das Fruchteis Ice Pulp in Tuben sind dafür anschauliche Beispiele.
MoMA, 2015. Andy Warhol, Campbell’s Soup Cans, 1962 [en ligne]. http://www.moma.org, consulté le 29.10.2015.
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