Packaging – Werbung
Reklame in den Grossstädten gibt es seit der Industrialisierung (ab 1850): Da sie zunächst rein typografisch ist, bleibt sie der Zeitschriften- und Zeitungspresse und damit dem lesenden Publikum vorbehalten. Kosmetikprodukte öffnen der aufkommenden Nahrungsmittelindustrie den Weg zur Werbung. Reklameplakate werden allgegenwärtig, und wachsende Konkurrenz zwingt die Hersteller, neue Wege zu gehen - Proben, Werbegeschenke, Verpackungsattrappen für Schaufenster. Und: Die Werbung lässt das Markenwesen entstehen.
Die Werbung auf dem Vormarsch: Von der Anzeige zum Plakat
Werbung, die im modernen Sinn das Publikum anspricht, entsteht in Europa zur gleichen Zeit wie die Zeitungspresse - im 17. Jahrhundert. Es werden immer mehr Anzeigen, wenn auch in knapper Form, veröffentlicht: Texte versehen mit Sternchen, Händen oder Notabene sollen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Anzeigen bewerben nur selten notwendige Alltagsprodukte, da der Käufer sie selber zu finden weiss. Im England des 18. Jhs. stürmen Anzeigen unkontrollierbar die Zeitungen, so dass letztere sie schliesslich verbannen. In Frankreich erscheinen sie dagegen erst ab 1830 in der Presse: Nach der Revolution von 1789 ist die Wirtschaft instabil, die Produktion bleibt lokal begrenzt. Erst die industrielle Revolution verändert das Erscheinungsbild der Werbung von Grund auf: Mit der Chromolithografie und den öffentlichen Verkehrsmitteln als Werbeflächen hält das Plakat Einzug, Reklameschilder treten vermehrt auf, weggeworfene Prospekte liegen in den Strassen, Spruchbänder flattern am Himmel und Sandwich-Men (Personen mit Plakat auf Bauch und Rücken) versperren die Bürgersteige, bevor sie im viktorianischen London in die Rinnsteine verbannt werden. In Paris entstehen durch den Städtebau von Georges-Eugène Haussmann an den Baustellen der Boulevards Palisadenzäune als ideale Werbeflächen für die Massenplakatierung. Ab 1880 setzt sich der Plakatstil als Gestaltungsform für die Produkt- und Etikettenwerbung durch. Illustrierte Magazine und Leuchtreklame entstehen. Werbeagenturen blühen auf: Sie vermieten oder verkaufen nicht mehr nur Werbeflächen, sondern bieten jetzt auch Dienstleistungen an. Manche Unternehmen, wie zum Beispiel Maggi, gründen eigene Werbeabteilungen. Die Konkurrenz um die Käufer wird stärker, und es entstehen eingetragene Marken. Bekannte Künstler werden für die Werbegestaltung gewonnen: Um die Jahrhundertwende entwirft Alfons Mucha Werbemedien im Jugendstil für Marken wie Nestlé, während Leonetto Cappiello, einer der Vorläufer moderner Plakatgestaltung, als einer der ersten dieses Medium in die Gegenwart überführt und damit über die Stilregeln der Belle Époque hinausgeht. Er vereinfacht die Formen und reduziert die Farbskala, womit 1903 vor allem die Schokoladenfirma Klaus erfolgreich war. Die Schaufenster der Geschäfte werden mit Verpackungsattrappen dekoriert, und Werbegeschenke dringen in die Privatsphäre der Verbraucher vor.
Eroberung der Privatsphäre
Neben der Zeitungs- und Zeitschriftenpresse sowie dem Radio (ab den 1920er Jahren) gelangt Werbung auch über Nahrungsmittelverpackungen, die die Markeneigenschaften verkörpern, in den häuslichen Bereich. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Weissblechdose mit abnehmbarem Deckel ein. Sobald der Inhalt verbraucht ist, wird sie oft wiederverwendet: „Die Plätzchendose, deren Umfang einem Kilo Zucker entspricht, ist der grösste Erfolg dieser Art. Damit war die Produktmarke in der Küche allgegenwärtig und veranlasste die Hausfrau ganz selbstverständlich dazu, immer wieder das gleiche Produkt nachzukaufen, wenn es nötig war“ (Touiller Feyrabend, 1994). Neben den langlebigen Verpackungen dienen auch vielfältige Werbegeschenke der Kundenbindung. Klienten werden zum Sammeln von den auf Verpackungen applizierten Marken angeregt und erhalten Geschenke wie Stifte, Federhalter, Kalender und Messer als Markenbotschafter, die sie durch ihren Alltag begleiten.
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