Berner Lobby-Wurst
«Beim Essen wird am intensivsten kommuniziert», weiss Lorenz Furrer. In seinem Club mitten im Schweizer Regierungsviertel bittet er Parlamentarier zu Tisch.
Eben noch sass er oben in seinem Büro und führte Telefongespräche: Der bald 47-jährige Lorenz Furrer ist Mitinhaber von Furrer Hugi & Partner, einer Agentur für politisches Lobbying.
Jetzt betritt Furrer den Club «Clé de Berne» zwei Etagen tiefer im gleichen Haus. Er entledigt sich der Krawatte und zieht lockere Küchenkleidung an. In der Küche des Privatclubs, den er 2012 als Ort zum Netzwerken und Geniessen gegründet hat, betätigt sich Furrer heute als Wurstmacher. Es geht auf den Abend zu. Später werden einige Politiker zum Kochen und Essen vorbeikommen. Als Zeremonienmeister wird zusätzlich der Berner Oberländer Spitzenkoch Robert Speth am Herd stehen. Die Begegnung soll in einem Parlamentarierkochbuch festgehalten werden, das 2015 den nationalen Wahlkampf würzen wird.
Die Fleischmasse ist vorbereitet. Lorenz Furrer füllt sie nun in die rote Wurstmaschine ein, eine 100-jährige Husqvarna. Dann stülpt er Schafsdarm über das Rohr und kurbelt los. Furrer stellt eine «Berner Lobby-Wurst» nach eigenem Rezept her: Bio-Rind und Bio-Schwein vom regionalen Bauernmetzger, ein Sud aus Weisswein, Zwiebeln, Knoblauch und Totentrompeten. Dazu eine Gewürzmischung des 18-Punkte-Kochs Robert Speth. Bald wächst eine lange Wurstschnecke über den Arbeitstisch. Der Wurstmacher achtet beim Stopfen penibel darauf, Luftblasen zu vermeiden. Sonst verliert die Wurst an Qualität. Eine gute Wurst sei wie gute Kommunikation, glaubt Furrer: «Der Inhalt zählt, nicht die Hülle.»
«Clé de Berne» hat 140 Mitglieder aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Bei den Kontakten spielt feines Essen mit hochwertigen Zutaten und edlen Weinen eine zentrale Rolle. Furrer zitiert die Hamburger Sterneköchin Anna Sgroi, die einmal gesagt habe, die beste Kommunikation geschehe um gutes Essen herum. Der PR-Profi sieht das auch so: «Austausch beim Essen ist die wohl intensivste und auch offenste Form der Kommunikation. Ein Gespräch im stimmigen Rahmen eines Essens entwickelt sich in aller Regel positiv.» Kocht er in seinem Club die Parlamentarier buchstäblich weich? Zieht er ihnen im wahrsten Sinn des Wortes den Speck durch den Mund? Furrer winkt ab: «Das haben wir nicht nötig.» Der «Clé de Berne» will kein klandestines Hinterzimmer der Macht sein, sondern ein Ort, «den die Mitglieder gerne aufsuchen». Und zwar unabhängig von der politischen Ausrichtung. So steht es in den Statuten. Bürgerlich Gesinnte gehören genauso zum Club wie Sozialdemokraten und Grüne. Vor einem erlesenen Bordeaux sind sie alle gleich.
Einmal nach links, einmal nach rechts – die Wurstschnecke muss nun zu einzelnen Würsten abgedreht werden. Ein Teil der Würste landet danach superfrisch in der Bratpfanne. Zeit für ein Glas Weisswein. Kochen sei für ihn kein Hobby, betont Furrer «Wenn ich zuhause bin, koche ich abends für unsere Familie.» Für Gäste kocht er gerne mal aufwändiger. Als Pfarrerssohn mag er gesellige Tafelrunden: «In meinem Elternhaus sassen immer viele Leute am Tisch.»
Die Lifttüre öffnet sich, die erste Parlamentarierin des Abends findet sich in den Clubräumen ein. Zum Apero wird sie von der Berner Lobby-Wurst kosten. In mundgerechte Stücke geschnitten und auf Zahnstocher gespiesst, liegt die Wurst bereit. Nicht auf Karton, versteht sich. Im «Clé de Berne» sind die Wurstplättchen aus blütenweisser Keramik.
Es sieht nur aus wie Wurstkarton: Das fertige Produkt wird auf Keramik serviert.