Eine Frage der Beschränkung
‚Ernährungsweise‘ definiert, wie wir – auf welche Weise auch immer – uns ernähren. Jedoch tendiert die Öffentlichkeit heute zur Verengung dieses vom natürlichen und sozioökonomischen Umfeld geprägten Begriffs auf eine Methode zur Gewichtsreduzierung.
Une histoire de restrictions
Schon die antiken Griechen und Römer wussten, dass Ernährung und körperliche Bewegung Gesundheit und Körpergewicht beeinflussen. Die griechische diatia (von daher das Wort ‚Diät‘) war eine echte Lebensart, geprägt von Selbstkontrolle und massvollem Essen. Diese Mässigung wandelte sich in der christlichen Askese in Entbehrung, da der Körper die Seele an der Vervollkommnung hindert – wie das Beispiel des Heiligen Antonius Eremita Ende des 3. Jh. n.u.Z. zeigt. Völlerei gilt dem Christentum bis heute als Sünde.
Den ersten Diät-Bestseller mit dem Titel De honesta voluptate e valetudine schrieb 1474 der italienische Humanist Bartolomeo Sacchi, genannt Il Platina. Mit Erfindung des Buchdrucks verbreitete sich dieses Werk; die feine Gesellschaft begeisterte sich für die Empfehlungen Platinas, um gastronomischen Genuss (voluptate) und Gesundheit (valetudine) in Einklang zu bringen. Noch heute wird allerdings das Werk Vom massvollen Leben (1558) des venezianischen Aristokraten Alvise (Luigi) Cornaro zitiert, der sich nach durch exzessiven Lebenswandel bedingten Krankheiten für eine frugale Diät entschied und fast hundert Jahre alt wurde. Der Autor knüpft an das griechische Prinzip der Mässigung an, bezieht weitere antike Schriftsteller ein und zeigt, dass ein gesundes Leben durch den Magen geht.
Die Entwicklung der Wissenschaften, allen voran der Medizin, führte zu Entdeckungen, die nicht nur die Wahrnehmung des Körpers, sondern auch der Ernährung veränderten: Eiweiss, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine usw. Das 20. Jh. zeitigte eine Flut von Diäten, die sich auf diese Biomoleküle und ihre energetischen Eigenschaften konzentrieren. 1918 veröffentlichte Lulu Hunt Peters Diet & Health: With Key to the Calories. Darin forderte sie ihre weibliche Leserschaft auf, Nahrung als Kalorien zu betrachten und nicht mehr als 1200 pro Tag aufzunehmen (zum Vergleich: Heute liegt die Empfehlung bei 1600 bis 2500 kcal pro Tag – je nach Alter, körperlicher Aktivität und Gesundheitszustand). Damit ebnete sie neuen Methoden zur Gewichtsverringerung den Weg – z.B. der Weight Watchers-Diät, die den Energiegehalt von Nahrungsmitteln mit Punkten bewertet. Einige Diäten propagieren gewisse Nahrungsmittel, um entweder bestimmte Nährstoffe aufzunehmen oder zu vermeiden. So z.B. die Empfehlungen von Atkins in den 1970er oder Dukan in den 2000er Jahren ohne Gluten: Es zählt allein der Nährstoff, nicht in welcher Form er auftritt. Andere sprechen sich aus ethischen Gründen gegen den Verzehr bestimmter Nahrungsmittel aus: Der Veganismus geht weit über die reine Ablehnung tierischer Lebensmittel hinaus und macht vegane Ernährungsweise zum Lebensstil.