Die Mahlzeiten des Tages
Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten unterscheiden sich nach Anzahl und Reihenfolge in jeder Kultur. Ihr Ablauf unterliegt festen Regeln. So werden bei der synchronen Form, dem bis heute in Südostasien üblichen Service à la française, alle Gerichte gleichzeitig aufgetragen, während der Service à la russe, die in Europa vorherrschende diachrone Form, die Speisen in vorbestimmter Reihenfolge nacheinander auftischt.
Mahlzeit und Zwischenmahlzeit
Anzahl und Art von Mahlzeiten unterscheiden sich von Kultur zu Kultur. Meist sind heute pro Tag zwei bis drei bewusst organisierte Mahlzeiten üblich. Knabbereien, Imbisse, Aperitifs oder Zwischenspeisen neben den Hauptmahlzeiten durchbrechen allerdings oft das System. So werden in Indien die zwei Mahlzeiten gern durch zahlreiche kleine Imbisse ergänzt, die völlig akzeptiert sind und zur täglichen Nahrungsaufnahme gehören.
Zudem verändert vor allem die Lebensweise der Stadtbevölkerung in den Industriestaaten das Dreimahlzeiten-Modell. Zählen die minutenschnell verschlungene Mittagsmahlzeit oder das Sandwich zwischendurch als Mahlzeit oder nur als Imbiss? Die Grenze fliesst, auch wenn Mahlzeiten meist zu festen Zeiten stattfinden, strukturierter sind und bestimmte Speisen umfassen. In Frankreich und Italien zum Beispiel gehört Wein dazu, die Gerichte sind üppiger und komplexer als der Imbiss, die warmen und kalten, herzhaften und süssen Gänge werden in festgelegter Reihenfolge serviert.
Die Struktur der Mahlzeit
Ablauf und Art einer Mahlzeit folgen bestimmten Regeln; sie werden zudem durch die Art des Servierens geprägt. Ethnologen unterscheiden zwei Muster. Beim synchronen Service werden alle Gerichte gleichzeitig serviert. So werden dem Gast in Japan mehrere Gerichte in verschiedenen Farben und Texturen (zum Beispiel Reis, Suppe, Salzgemüse und Fisch) auf einem Einzeltablett gleichzeitig angeboten – der in der westlichen Welt häufige Fernsehsnack entspricht demselben Prinzip. In Vietnam werden mehrere Speisen in die Tischmitte gestellt und jeder bedient sich nach Belieben.
Beim diachronen Service kommen die Speisen in festgelegter Abfolge nacheinander auf den Tisch, z.B. die traditionelle Mahlzeit mit Vorspeise, Hauptspeise (Fleisch oder Fisch und Gemüsebeilage), Käse und Nachspeise. Asiatische Restaurants in Europa haben ihren traditionellen Service übrigens angepasst und tragen die Gerichte nacheinander auf.
Die derzeitige Form der westlichen Mahlzeit ist relativ jung. Vom Mittelalter bis zum 19. Jh. bestanden zumindest die Mahlzeiten des Adels aus drei oder mehr Gängen nach dem Service à la française. Jeder Gang umfasste mehrere Gerichte, die auf dem Tisch verteilt waren. Trotz regionaler Variationen gab es beim ersten Gang Suppen (in einer Sauce gekochte Nahrungsmittel) und Hors-d’œuvres, gefolgt vom zweiten Gang mit Braten und Salaten. Es konnten kalte Pasteten folgen, bevor die Mahlzeit im letzten Gang mit Nachspeisen endete.
Die Vielfalt der Gerichte eines Ganges wurde von der Ernährungslehre der Zeit beeinflusst, nach der jeder nach seinem Temperament essen sollte. Allerdings war es am Tisch schwierig, alle Gerichte zu erreichen, da sie nicht weitergereicht wurden. Das Beste wurde den wichtigsten Gästen vorgestellt, so dass die Mahlzeit die soziale Hierarchie widerspiegelte.
Im 19. Jh. verschwand diese Vielfalt – die Mahlzeit wurde egalitärer. Der kostengünstige Service à la russe setzte sich gegen das alte System à la française durch, so dass die Bedienung von da an allen Gästen alle Gerichte präsentierte.
Knabberspass
Die in der westlichen Welt beliebten, aber auch kritisierten Knabbereien haben nicht überall einen schlechten Ruf. In Vietnam heissen sie an choi, was „aus Spass essen“ bedeutet, wozu die vielfältige Strassenküche beiträgt. Auch Chinesen essen gern individuell und zwanglos Kleinigkeiten abseits der Mahlzeiten (Süssigkeiten, Frittiertes, Spiesse mit Gemüse, Fleisch oder Tofu etc.).
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