Dal und Chapati für alle
In der indischen Metropole Delhi werden jeden Tag tausende Personen verköstigt. Das Essen ist für alle gratis.
Öffentliche Essensausgaben für Bedürftige, sogenannte Suppenküchen, gibt es weltweit. Das Angebot im Gurdwara Bangla Sahib ist ein Beispiel für viele und wird von der religiösen Gemeinschaft der Sikh betrieben. Unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Kaste und sozialem Status können sich hier alle unentgeltlich verpflegen.
Der Gurdwara Bangla Sahib ist ein prachtvoller Bau und der berühmteste Sikh-Tempel Delhis. Auf der linken Seite des Hauptgebäudes, das von einer vergoldeten Kuppel gekrönt ist, befindet sich der Eingang zur Küche. Hier erwarten mich Mr. Sevadaar, der Küchenchef, und Mr. Harjee vom Management. Wir haben uns via Facebook verabredet. Betritt man als Besucher den Langar (die Küche des Tempels), ist man erst mal perplex ob der Grösse des Raumes, der Pfannen und Töpfe. Der Langar ist erfüllt von Essensdüften und Musik. Obwohl Dutzende von Leuten darin arbeiten – die meisten sind Freiwillige – herrscht keine Spur von Chaos.
Andreas Kohli sprach mit Herr Harjee und Herr Sevadaar
Mr. Harjee, seit wann werden Mahlzeiten umsonst abgegeben?
Harjee: Um 1483 hat der Gründer der Sikh-Religion die öffentliche Essensausgabe für Bedürftige eingeführt. Alle dürfen kommen, es gibt keine Diskriminierung. Diese Praxis gilt für alle Sikh-Tempel weltweit.
Servieren Sie Mittag- und Abendessen?
Sevadaar: Bei uns gibt es Morgen-, Mittag- und Abendessen. Die erste Essensausgabe beginnt bereits morgens um 4 Uhr.
Wie wird die Küche finanziert?
Harjee: Das Geld für den Betrieb kommt ausschliesslich von Spenden. In unserer Religion ist es ein Gebot, zehn Prozent unseres Gewinns für Bedürftige zu spenden. In der Küche arbeiten hauptsächlich Freiwillige. Sie kommen für einige Tage, um uns zu unterstützen.
Was kochen Sie?
Sevadaar: Jeden Tag servieren wir zu Dal und Chapati verschiedene saisonale Gemüse. An speziellen Tagen gibt es zusätzliche eine grosse Auswahl weiterer Speisen. Gekocht wird ausschließlich vegetarisch, nicht weil wir Sikhs Vegetarier sind, sondern weil wir niemanden vom Essen ausschliessen möchten.
«Wenn Sie Ihre tägliche Mahlzeit bekommen», sagte ein Inder, «können Sie sich entspannen. Sie können überleben.» Für viele Gäste dürfte das Essen im Langar weniger eine Frage des Überlebens sein. Sie kommen als Mitglieder der religiösen Gemeinschaft. Aber in einer schnell wachsenden Stadt mit über 20 Millionen Einwohnern ist das Angebot der Sikhs eine kostbare und kostenlose Nahrungsquelle für alle.