Coffee snobs
Sie treiben Kult mit der Frische und schätzen Kirscharomen in ihren Kaffeegetränken. Sie sind vielleicht snobistisch, tauschen die Eleganz eines Anzugs aber gerne gegen etwas Seele ein: Das sind die Coffee snobs.
Wer sind diese Kaffeeliebhaber der dritten Welle, die als Coffee geeks, Coffee aficionados oder auch Coffee snobs bezeichnet werden? Es sind Bobos, es sind Hipster. Sie tragen Bart, Hornbrille, verwaschene, senffarbene Hosen, deren Saum umgeschlagen ist, körpernahe T-Shirts und sind damit beschäftigt, einen neuen Programmcode in die Tastatur ihres MacBook Air zu tippen – so sieht sie das Klischee. Es stimmt vielleicht für die markenfreien Coffee-Shops von San-Francisco mit dem naheliegenden Silicon Valley - auf die restliche Welt trifft es weniger zu. Das Mandabatmaz in Istanbul z.B. zieht eher eine Kundschaft intellektueller Studenten an, die bei einem traditionell zubereiteten (siehe Kasten) Kaffee über Politik und die Zukunft der Türkei diskutieren, während die Gäste des Boréal Coffee Shops in Genf sowohl aus eiligen Geschäftsleuten wie auch aus Gruppen von Freunden bestehen, die sich gemütlich zusammensetzen möchten. Coffee snobs sind vor allem Verbraucher, die jedes Detail des Kaffees schätzen. Sie sind neugierig, aufmerksam, anspruchsvoll – und sie möchten, dass bei der Zubereitung des geschätzten Elixiers jeder Schritt einfach perfekt ist1.
Die Entwicklung der Kaffeekultur
Kaffee war lange Zeit ein Produkt, das sich nur die Eliten leisten konnten. Mit der Zunahme von Plantagen und der Erfindung von Pulverkaffee verbreitete sich das Getränk und fand Eingang in jeden Haushalt. In der Geschichte des Kaffees bezeichnet man dies als erste Welle. Seit den 1980er Jahren entstand dann eine Coffee culture mit Ketten wie Starbucks, die italienischen Espresso in den Vereinigten Staaten bekannt machten und so einer an „Blümchenkaffee“ gewöhnten Kundschaft einen ganz neuen Kaffee anboten. Diese zweite Welle war in Europa kaum ausgeprägt, sorgte aber für eine wahre Revolution jenseits des Atlantiks, wo man überall faden und charakterlosen „Kaffee sooft man will“ serviert, der in grossen Karaffen zubereitet und stundenlang warmgehalten wird. Vor etwa 15 Jahren hat die dritte Welle – Third Wave – begonnen. Angeregt wurde sie von unabhängigen Personen mit Leidenschaft, die sehr genau auf den Herstellungsprozess achten, um einen Kaffee mit hervorragender Qualität zu erzielen und den Kunden eine anregende Sinneserfahrung zu bieten. Diese neue Kaffeekultur begann an der Westküste der Vereinigten Staaten, fand aber schnell Anhänger und entwickelte sich zu einem globalen Phänomen.
Die Leidenschaft für Kaffee geht von nun an um die Welt. Von Tokio bis Montreal und von Reykjavik bis Buenos-Aires entstehen in den Grossstädten unabhängige Kaffeebars, die eine bis dahin unbekannte Kaffeekultur vermitteln. Kaffee gilt nicht mehr als Koffeindosis, die geistesabwesend getrunken wird, sondern als hochwertiges Produkt, das man bewusst geniesst. An dieser neuen Art, den Kaffee zu trinken, sind die Produzenten massgeblich beteiligt. Qualität und Aromen hängen davon ab, wie sie ihre Kaffeesträucher auf den Feldern kultivieren. Sie kennen jede ihrer Parzellen und arbeiten unermüdlich, um Früchte mit Kaffeebohnen von ausgezeichneter Qualität zu produzieren, die die Aromen ihrer Herkunftsregion enthalten. Die Kaffeebauern zu besuchen und dauerhafte Beziehungen zu knüpfen, ist heute für jeden unabhängigen Kaffeehändler, der etwas auf sich hält, unumgänglich.
Nächst ihm spielen die Röster und Baristas eine wichtige Rolle. Erstere haben die Aufgabe, die Kaffeebohnen auf die richtige Temperatur zu erhitzen, um sie schonend zu rösten. Letztere sind keine einfachen Kellner, sondern wahre Experten, die mit fast zwanghafter Präzision arbeiten, um die Art des Mahlens, den Druck und die Extraktionszeit so zu wählen, dass Kaffee jeder Herkunft optimal verfeinert wird. Sie tragen auch zur Geschmacksbildung von unerfahrenen Kunden bei und führen sie in die Charakteristiken der Single-origins oder in die Schreibweise von Espresso ein – bitte ohne „x“!
Die traditionellen Handgriffe
Dass das kleine Café Mandabatmaz in Istanbul immer voll ist, liegt nicht so sehr an den feinen aromatischen Noten des Kaffees. Hier möchte man vor allem die einzelnen Handgriffe der in öffentlichen Cafés selten gewordenen traditionellen Zubereitung von türkischem Kaffee sehen. Der Wirt Cemil Pilik steht den ganzen Tag hinter seiner Theke und bereitet unermüdlich Tasse für Tasse zu, indem er im Cezve – einem kleinen Kupferbehälter mit langem Stiel – die richtige Wassermenge zusammen mit extrafeinem Kaffee erhitzt. Falls gewünscht, wird dann noch Zucker hinzugefügt. Die Temperatur steigt, die Mischung beginnt zu kochen: Die hohen Wände des Cezve fördern die Bildung von Schaum, der in die Tasse des Kunden gegeben wird. Der Wirt stellt den Behälter kurz auf die Flamme zurück, wartet auf das Köcheln und füllt die siedend heisse Mischung in die Tasse.
www.mandabatmaz.com
Für Coffee snobs ist beim Genuss von Kaffee alles wichtig, sogar das Geschirr, in dem er serviert wird. Die schlechtesten Noten erhält ein Glas aus Polystyrol: Im Kontakt mit dem glühend heissen Getränk gibt es unerwünschte Aromen ab, die bei der Verkostung stören. Die Transparenz von Glas wird für Latte macchiato geschätzt, da man die Farbabstufungen sehen kann, für andere Kaffeezubereitungen überzeugt aber die Porzellantasse. Und wenn man das ideale Gefäss nicht findet, muss man es erfinden: Der Kaffee-Experte Hippolyte Courty, Gründer von L‘Arbre à Café in Paris, hat gerade die Tasse Révélation geschaffen, welche die Aromen des wertvollen Elixiers perfekt zur Geltung bringt. Die muss man sich sofort ansehen!