Das Hochzeitsmahl
Während Ehen nicht immer aus Liebe geschlossen wurden, war das Hochzeitsmahl zu allen Zeiten ein üppiges Festessen. Obwohl die Hochzeitsausgaben in der Antike und im Mittelalter gesetzlich beschränkt waren, verbarg man seinen Reichtum nicht und stärkte das entstehende Band zwischen den Familien mit einem Bankett. Dieses Festessen mit seinem Überfluss an Speisen und süssen Desserts, die ebenso köstlich wie kostspielig waren, durchbrach als gemeinsame Mahlzeit die alltägliche Essensroutine.
Vom privaten Vertrag zur Liebesheirat
Ehen wurden nicht immer aus Liebe geschlossen. Drei Elemente hatten bis ins 20. Jh. Gültigkeit und bildeten die Grundlage dieser Institution: Der Gütertransfer, das Recht der Frauen auf Sexualität und die Legitimation der Kinder.
In der Antike basierte die Verbindung zwischen einem jungen Mädchen und ihrem Bräutigam auf einem einfachen Privatvertrag zwischen beiden Familien. In Griechenland gab es keine Verlobung. Die Hochzeit fand im Winter statt, wenn die Zeit der Feldarbeit vorüber war. Im Römischen Reich hingegen galt eine Verlobung als obligatorisch. An einigen Tagen waren Hochzeiten verboten - etwa während der Lemuria, der Feier der Totengeister.
Im Mittelalter des 13. Jhs. nahm die christliche Kirche die Ehe in die Sakramente auf und verbot, sie während der Fastenzeit zu schliessen. Sie betrachtete die Verbindung zweier Menschen als göttlichen Willen und als heiligen Akt, der den Geboten der Treue und Monogamie unterliegt. Auch in kirchlichen Schriften tauchte - vermutlich unter dem Einfluss des Minnesangs - die Zuneigung zwischen den Eheleuten als Thema auf. Damit wurde eine eheliche Verbindung zur Herzensangelegenheit. Reformation und Französische Revolution erschütterten die Institution der Ehe: Erstere raubte ihr den sakralen Charakter, während letztere das Recht der Eheschliessung dem staatlichen Standesamt übertrug. Eine Scheidung wurde in Grossbritannien 1857 und in Frankreich 1884 legal.
Essen im Überfluss
Das Hochzeitsmahl war in allen sozialen Schichten schon immer etwas Besonderes. Es bietet die Gelegenheit, die Verbindung beider Familien durch ein gemeinsames Festmahl zu besiegeln. Daher tendiert das Essen bei dieser Gelegenheit zum Übermass.
In Antike und Mittelalter garantierten in Europa sogenannte Luxusgesetze die Wahrung der öffentlichen Ordnung, indem sie Ausgaben und Verzehr insbesondere bei Hochzeiten begrenzten. Es scheint jedoch, dass sich niemand an diese Beschränkungen hielt. In den griechischen Stadtstaaten zeugte der Schmuck der Braut vom Reichtum ihrer Familie. Das Hochzeitsmahl, zu dem höchstens dreissig Gäste geladen wurden, war üppig; vor allem bot es verschiedene Fleisch- und Fischgerichte. Jede Familie hatte ihren eigenen Tisch. Am Ende des Banketts kam der dem Brautpaar vorbehaltene Sesamous, ein Kuchen aus gegrillten Sesamkörnern und Honig, während die Gäste den Plakous assen, einen Kuchen aus Mehl, Honig und Ziegenkäse. Im Römischen Reich brachten die Brautleute am Morgen ihrer Hochzeit Jupiter ein Opfer in Form eines Dinkelkuchens dar, ehe sie „durch das Wasser und das Feuer, durch den Weizen und das heilige Mehl“ vereint wurden (Melchior-Bonnet, Salles, 2010).
Im Mittelalter waren die Bankette ungeachtet ihres religiösen Charakters wahre Spektakel. Der Adel legte ebenso viel Wert auf den Saalschmuck (Wandteppiche, Springbrunnen) wie auf die Wahl der Haupt- und Zwischengänge, wobei letztere eher dem Zeitvertreib dienten – es sei denn bei weniger opulenten Banketten, wo sie - Weizenbrei und Fischgelee - allerdings eine Rolle für die Ernährung spielten. Aus historischen Quellen geht hervor, dass bei der Hochzeit von Karl dem Kühnen, Herzog von Burgund, mit der englischen Herzogin Margareta von York im Jahr 1485 achtundvierzig Speisen serviert wurden - darunter solche in Vogelform, die möglichst genau ihren lebenden Vorbildern nachgebildet waren.
Berichte aus der Zeit vor der Französischen Revolution überliefern, dass die steifen bürgerlichen Bankette langweilig waren. Auf dem Land hingegen wurde ausgelassen gefeiert. Die kärglichen Alltagsmahlzeiten wurden bei der Hochzeit für einen Tag durch Pasteten, Fleisch und Kuchen ersetzt, die der Bräutigam selbst den Gästen servierte. Dieser Brauch setzte sich in ländlichen Regionen auch bis ins 19. Jh. fort. Desserts und Süssspeisen unterstrichen die Besonderheit dieses Essens. In Frankreich machte das Bürgertum Bekanntschaft mit dem Croquembouche von Antonin Carême – eine Art Vorläufer der heutigen Hochzeitstorte.
Eier und Löffel als Zeichen der Zuneigung
In Europa erweist sich in ländlichen Gesellschaften die Zuneigung durch Alltagsgegenstände. Z.B. schenkt in Tschechien das junge Mädchen dem Mann am Ostermontag als Zeichen der Zuneigung sechzig bemalte Eier. Wenn er ihr Gefühl erwidert, pflanzt der Verliebte in der Nacht zum 1. Mai einen Baum. In Italien und Österreich werden verzierte Löffel, die Nahrung und Fruchtbarkeit symbolisieren, verschenkt. Daher kommt die Bedeutung von deutsch Löffeln und englisch Spooning, was nicht nur ‚mit dem Löffel essen‘ heisst, sondern auch Verliebtsein ausdrückt.
BOLOGNE, Jean-Claude, 2005. Histoire du mariage en Occident. Paris : Éditions Hachette.
DUMAS, Véronique, 2011. Les dragées. Historia. Novembre 2011. pp. 106-112.
MELCHIOR-BONNET, Sabine et SALLES, Catherine, 2010. Histoire du mariage. Paris : Éditions Robert Laffont.