Das Ei als Lebenssymbol
Schon im Schöpfungsmythos der Ägypter spielte das Ei eine symbolische Rolle. Bei den Römern finden sich Eier als Grabbeigaben. Bis heute erhält sich der Brauch, Eier zu verschenken – nicht grundlos zu Ostern, dem Fest der Auferstehung und erwachenden Natur. Das Ei wird zum Lebenssymbol, weil es werdendes Leben umschliesst, das aus ihm hervortritt; es trägt die Vorstellung von Wiedergeburt und Verjüngung im Lebenskreis, was auch seine Gestalt ohne Anfang und Ende ausdrückt.
Das Ei spielt als Quelle neuen Lebens aus unbelebter Materie eine Rolle in der Gedankenwelt vieler Kulturen – viele deuten die Welt als aus einem Ei entstanden. Schon im frühen Ägypten wurde das Ei als Ursprung der Welt verehrt. Eine Version des Schöpfungsmythos spricht vom Ur-Ei, das den „Vogel des Lichts“ enthielt. Bemalte Eier verschenkten die Chinesen bereits vor 5000 Jahren zum Frühlingsanfang. Im antiken Griechenland und Rom hängte man bunte Eier auf und verschenkte sie, um im März die Tag- und Nachtgleiche, d.h. den Jahresanfang zu feiern: das Ei steht hier für Neubeginn. Mit dieser Konnotation gelangten Eier auch als Grabbeigaben ab dem 4. Jh. in römisch-germanische Gräber, um den Verstorbenen die Auferstehung zu wünschen.
Das Christentum übernahm das Ei als Sinnbild von Fruchtbarkeit, Auferstehung und ewigem Leben. Von aussen wirkt es todeskalt, doch seinem Inneren entwächst junges Leben. Wie ein Grab hält es Leben verschlossen, stand auch für das Grab in Jerusalem, aus dem Jesus am Ostermorgen vom Tode auferstanden ist. Deshalb ist das Ei ein christliches Attribut des Osterfestes. Verbreitung fand diese Vorstellung durch Merksprüche wie: „Wie der Vogel aus dem Ei gekrochen, hat Jesus das Grab zerbrochen.“ Jesus nennt in einem seiner Gleichnisse das Ei eine gute Gabe (Lukas 111,11f). Es wurde so zum „tugendhaften Nahrungsmittel“.
Die Ostkirche hängte goldene Eier oder Strausseneier in Erinnerung an die Auferstehung Christi vor die Ikonenwände. Eier finden sich auch in Spanien und Italien bis heute, wo sie in Taufkapellen, auf Marienaltären oder zu Füssen des Gekreuzigten aufbewahrt werden.
Eier zu Ostern
Hühnereier, Schokoladeneier oder Porzellaneier – Ostereier gibt es in so verschiedenen Formen wie Farben. Bis heute ist es Brauch, an Ostern Eier zu essen, zu verschenken, als Dekoration zu verwenden. Dabei spielt sicher nicht nur die christliche Symbolik eine Rolle, sondern auch praktische Gründe. Im Mittelalter verbot die Kirche zur vorösterlichen Fastenzeit (Aschermittwoch bis Karfreitag) den Verzehr von Fleisch und Eierspeisen. Folglich sammelten sich bei den Bauern vor Ostern grosse Mengen an Eiern. Um den Überschuss haltbar zu machen, wurden sie gekocht, verziert, in der Kirche geweiht und anschliessend verschenkt. Am Ostersonntag kamen sie wieder auf den Tisch. Die Bauern übergaben um Ostern oft auch die fälligen „Zinseier“, einen Teil des Pachtzinses.
Eierfarben
Seit dem 13. Jh. wird Rot zur traditionellen Farbe für Ostereier – als Farbe des Lebens, der Freude und auch als Symbol für das am Kreuz vergossene Blut. Die rote Farbe erinnert so an den Opfertod Jesu. Erst später wurden die Eier auch andersfarbig bemalt.
Maria-Lioba Lechner, Ei, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1956), Sp. 893–903; in: RDK Labor, URL: <http://www.rdklabor.de/w/?oldid=93128>[08.04.2017]
Original: Mircea Eliade, Histoire des croyances et des idées religieuses, Édition Payot, Pris 1978, 1992
Deutsche Ausgabe: Mircea Eliade, Geschichte der Religiösen Ideen, 4 Bände, Freiburg (Herder)b1979