Die Aubergine – Vorzüge und Vorbehalte
Die in Indien vor 4000 Jahren kultivierte Aubergine wird in Asien und muslimischen Ländern wegen ihres Geschmacks geschätzt, der den Europäern missfiel; sie nannten sie mala insana (Kranker Apfel) und sagten ihr Negatives nach. Erst seit dem 16. Jh. fand sie festen Platz in Europa.
Verehrung bei Asiaten und Muslimen
Die Aubergine (Solanum melongena) wurde vor 4000 Jahren in Indien kultiviert, von wo sie sich über Asien ausbreitete – östlich bis nach Japan, westlich mit den arabischen Eroberungen im 7. und 8. Jh. bis ans Mittelmeer. Die in der Küche geschätzte Frucht fand sich bei Arm und Reich. Spanien übernahm sie von den Sarazenen im 10. Jh., die Balkanländer von den Türken im 14. Jh. In Süditalien und in der Provence wurde sie im 16. Jh. beliebt. Im nördlichen Europa verschwanden Vorurteile erst im 19. Jh., und auch dann blieb der Verzehr Ausnahme, so dass sie noch in den 1960er Jahren wenig bekannt war. Erst seitdem kommt sie über die beliebte Mittelmeerküche mit ihren ernährungsphysiologisch anerkannten Vorzügen in ganz Europa in die Küche. Es gibt zahlreiche Zubereitungsarten – in der Türkei nicht weniger als 30 Rezepte. Die Chinesin soll angeblich zwölf Auberginengerichte bereiten können, um als heiratsfähig zu gelten.
Die Heilkraft der Aubergine war umstritten. Arabische Ärzte schrieben ihr verschiedene Wirkungen zu – gegart sollte sie den Appetit anregen. Der persische Philosoph und Arzt Avicenna sah in ihr im 11. Jh. den Krankheitsauslöser von Lepra und Epilepsie. In Indien gilt die weisse Aubergine traditionell als Heilmittel gegen Diabetes. Die westliche Medizin bezweifelte diese Eigenschaften, erkannte sie aber schon im 13. Jh. als essbar an. Bis zum 19. Jh. standen medizinische Anwendungen – so als Heilpflaster bei Verbrennungen – mit Küchenempfehlungen wie mit Warnungen vor schädlichen Effekten bei Melancholie und Fieber nebeneinander.
Argwohn in Westeuropa
Die Geschichte zeigt, dass Westeuropäer der Aubergine misstrauten oder sich sogar ekelten. Seit dem 12. Jh. wurde sie zwar in medizinischen und botanischen Werken erwähnt, blieb allerdings bis zum Ende des 14. Jhs. Gegenstand der Neugierde und der Dekoration. Mit ihrem strengen, bitteren Geschmack missfiel sie und wurde auch dadurch verdächtig, dass sie beim Schneiden schwarz anläuft.
Misstrauisch machte auch, dass sie wie Kartoffel und Tomate zu den Nachtschattengewächsen zählt, die unreif giftig sind: ihre schwarze Farbe stellte sie neben die giftige Tollkirsche, auch neben die Alraune mit ihren menschähnlichen Wurzeln, bekannt als Aphrodisiakum und Betäubungsmittel. Bezeichnungen des 16. Jhs. zeugen davon: lateinsch mala insana (Kranker Apfel) (italienisch heute melanzana), deutsch Doll Opffel (Tollapfel), französisch pomme d'amour (Liebesapfel), ein Name auch der Tomate.
Eine zweideutige Pflanze
Ob in Asien, Afrika oder Europa – überall wurde der Aubergine eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Ihre Form macht sie zum phallischen Symbol, das in der koreanischen Literatur, auch im japanischen Haiku vorkommt. Provenzalisch heisst sie auch viédaze (Eselschwanz). Diese Bedeutung überlebt bis heute; ihr Icon wird in sozialen Medien sinngemäss gebraucht, weshalb Instagram es 2015 aus seiner Suchmaschine verbannte.
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